Frühkindliche Reflexe


Frühkindliche Reflexe

Was sind frühkindliche Reflexe und welche Aufgabe haben sie?

  • sie entstehen vor und während der Geburt
  • sie sichern dem Baby maßgeblich das Überleben, da sie z.B. für die Nahrungsaufnahme und die Bewegungsentwicklung notwendig sind 
  • alle Reflexe haben eine Waltezeit, in der sie aktiv sein müssen
  • nach dieser aktiven Zeit werden sie gehemmt/integriert
  • sie sind nicht zu verwechseln mit Reflexen, die ein Leben lang bestehen bleiben, wie z.B. der Augenlidreflex, der Atemreflex oder, wie auf dem Bild zu sehen, der Patellarsehnenreflex


Welche Herausforderungen können Reste von frühkindlichen Reflexen aufwerfen?

Reflexe lösen unwillkürliche, also nicht willentlich steuerbare Reaktionen aus. Durch das stetig wiederkehrende Auslösen dieser spezifischen Reaktionen wird unser Gehirn geschult und lernt mit der Zeit, Bewegungsmuster auszuführen, ohne dass vorher ein bestimmter Auslöser gegeben sein muss. Aus reflexhaften Reaktionen werden absichtsvolle, plan- und steuerbare Handlungen. Es gibt Stolpersteine, die diese Hemmung oder Integration behindern können. Dies zeigt sich im menschlichen Körper durch Instabilität, Unsicherheiten und unpassenden Reaktionen.

Reste von frühkindlichen Reflexen an Beispielen von sprach-/ stimmtherapeutischen Symptomen

Beispiel Lispeln:

Ein häufiger ärztlicher Verordnungsgrund hinsichtlich der Sprachentwicklung ist z.B. der Sigmatismus interdentalis, besser bekannt als Lispeln. Dies zeigt sich oft nicht nur in der Artikulation, sondern auch in der Koordination und Spannung der Lippen bzw. der Zunge. Logopädische Therapieverfahren setzen in der Regel immer am Ort des Geschehens an, also am Mund.

Frühkindliche Reflexe:

Die meisten logopädischen Therapieformen beinhalten mundmotorische Wahrnehmungs- und Kräftigungsübungen. Frühkindliche Reflexe spielen hier aber eine nicht unerhebliche Rolle. In unserer Praxis zeigten alle bisher behandelten kleinen Klient*innen mit einem Lispeln u.a. Reste eines tonischen Labyrinthreflexes vorwärts (kurz TLR vorwärts):

  • Entstehung: 12. Schwangerschaftswoche
  • Hemmung: 3.- 4. Lebensmonat
  • Auslöser: Bewegung des Kopfes über unsere Körpermittellinie nach vorne
  • Reaktion: der Körper beugt sich nach vorne und innen, so dass eine konstante Beibehaltung einer gestreckten Körpervorderseite unmöglich wird 
  • Symptom Lispeln:  Restreaktionen eines TLR vorwärts begünstigen durch das einschießende Beugen der Körpervorderseite inclusive der Vorneigung des Kopfes eine Verkürzung der entsprechenden Muskeln und Faszien der Körpervorderseite, die für eine gesamtkörperliche Streckung zuständig sind. Der Druck auf den Zungengrund erhöht sich, so dass der Zunge der Platz im Mundraum fehlt und sich das Bilden des Lautes /s/ an oder zwischen den Zähnen als kräftesparend anbietet. 

Therapeutisches Vorgehen:

Es bietet sich demnach an, ein mundmotorisches Übungsprogramm mit Übungen zur Integration des TLRs zu kombinieren.


Beispiel psychogene Dysphonie:

Jeder Körper nutzt unterschiedliche Signale, um zu zeigen, wann seine Grenzen gerade mal wieder oder schon über einen längeren Zeitraum überschritten wurden. Auch wenn wir in einer stimmtherapeutischen Intervention nicht vorrangig die Integration von frühkindlichen Reflexen verfolgen, so dient das Miteinbeziehen und Beleuchten der Reflexe der Verdeutlichung von physiologischen Prozessen, die auch auf die Stimmgebung einen Einfluss haben.

Frühkindliche Reflexe:

Dysbalancen im vegetativen Nervensystem können Stimmstörungen ursächlich beeinflussen. Ein möglicher Grund dafür könnte ein nicht vollständig integrierter Mororeflex sein. Der Mororeflex sorgt wie kein anderes frühkindliches Bewegungsmuster dafür, dass unser Überleben gesichert wird. Er ist für die Freisetzung der Energien zuständig, die uns in unserem Alltagsleben funktionieren lassen:

  • Entstehung: 9. Schwangerschaftswoche
  • Hemmung: 2. - 4. Lebensmonat
  • Auslöser: plötzliche Reize jeder Art, durch Lageveränderung des Kopfes, Geräusche, plötzliche Bewegungen oder Lichtwechsel, aber auch durch Berührungsreize wie z.B. Schmerz, Temperaturveränderungen oder unpassende Berührungen
  • Reaktion: der aktivierende Teil unseres Nervensystems wird hier stark angesprochen, bei dem Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol für die Erzeugung der Energien freigesetzt wird, was den Ein- und Ausatemimpuls deutlich erhöht und das besonders in den oberen Lungenflügeln
  • ein für Sie unpassendes Atemmuster kann eine freie Stimmfunktion beeinträchtigen

Therapeutisches Vorgehen:

Sollte sich in der Anamnese und der Diagnostik der Verdacht von Resten einer noch vorhandenen Mororeaktion erhärten, würden wir neben der eigentlich stimmtherapeutischen Betreuung eine fachübergreifende Zusammenarbeit mit Ihrem*r Fachärzt*in und/ oder einer Heilpraktiker*in empfehlen, um aufgrund der produzierten Stresshormone wie oben beschrieben, die Unterstützung von Stoffwechselvorgängen zu unterstützen und auf Ebene des Nervensystems Abhilfe zu leisten.     

   


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